Queer Voices Podcast

Élie Chevillet

#4 Gia LaRue | Drag Queen, Queer auf dem Land, Schwuler

03.02.2025 42 min Élie Chevillet

Zusammenfassung & Show Notes

Heute darf ich Gia LaRue empfangen. Gia ist eine absolute Drag-Ikone. Die Mutter des House of Larue ist seit fast zehn Jahren ein fester Bestandteil der Augsburger und Münchener Queeren Szene. Sie bespielt regelmäßig die Bühne auf bayerischen CSDs und veranstaltet ihre eigenen Drag-Shows im Schlachthofquartier in Augsburg. Bei jedem Auftritt verzaubert sie das Publikum mit ihrem Livegesang.


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Transkript

SPEAKER_1
00:00:04
Hi, ich bin Élie Chevillet, herzlich willkommen bei Queer Voices, der Podcast der queeren Menschen in Augsburg und der Welt eine Stimme gibt. Heute darf ich Gia LaRue empfangen. Gia ist eine absolute Drag-Ikone. Die Mutter des House of Larue ist seit fast 10 Jahren ein fester Bestandteil der Augsburger und Münchner Queerenszene. Sie bespielt regelmäßig die Bühne auf bayerischen CSDs und veranstaltet ihre eigenen Drag-Shows im Schlachthofquartier in Augsburg. Beim jeden Auftritt verzaubert sie das Publikum mit ihrem Live-Gesang. Hi Gia.
SPEAKER_2
00:00:50
Hallo Élie.
SPEAKER_1
00:00:51
Danke, dass du meine Einladung angenommen hast.
SPEAKER_2
00:00:53
Ja, sehr gerne.
SPEAKER_1
00:00:54
Ich freue mich sehr darüber. Magst du dich zu Beginn vorstellen, deine Pronomen teilen und erzählen, wie du dich identifizierst?
SPEAKER_2
00:01:05
Also mein Künstlername ist Gia Larue, mein bürgerlicher Name ist Moritz. In der Kunstform oder in Drag sind mir meine Pronomen tatsächlich eigentlich egal, muss ich tatsächlich so sagen. Ich leg da gar keinen großen Wert drauf, wobei es die meisten sowieso immer sie ihr verwenden. Privat, bürgerlich, es ist einfach eher ihn. Ganz, ganz simpel. So identifiziere ich mich auch. Also privat tatsächlich einfach als CIS-Mann. Und Drag ist für mich nur eine Kunstform, wobei ich da auch sehr genieße, eben meine feminine Seite rauszulassen. Ich bin inzwischen schon 31 Jahre jung, wohne seit ein bisschen über zehn Jahren jetzt in Augsburg. Und hab vor acht Jahren, fast neun Jahren, mit Drag angefangen.
SPEAKER_1
00:01:52
Magst du erzählen, wie du angefangen hast?
SPEAKER_2
00:01:55
Das war eigentlich eine ganz witzige Geschichte. Ich war im Club in München, im damaligen New York Club feiern. Und bin von ihr auch mal angesprochen worden. Also ich hab sie über den Abend eh kennengelernt. Und irgendwann meinten sie so, also tanzt so gut und performst da richtig, hättest du nicht Lust auch mal Drag zu machen? Dann war ich so, ja wieso nicht? Ja, also wobei ganz witzig, ich war da auch erst frisch geoutet. Ich war da relativ spät dran tatsächlich damit und hab erst meine Clubzeit damals begonnen gehabt. Und dann kam direkt diese Frage, naja, machen wir das halt auch mal. Und dann wurde ich das erste Mal geschminkt und hergerichtet, war dann zu feiern. Fand das schon ganz witzig und hab dann kurz drauf, das erste Mal am Münchner CSD bin ich da mitgelaufen. Und seitdem hat mich das irgendwie nicht mehr losgelassen, ja. Dann ging das Schlag auf Schlag weiter, dann kam die erste Mal die Bühne. Und ja, das war eine große Faszination von Anfang an und hat sehr viel Spaß gemacht. Also bin ich irgendwie am Ball geblieben.
SPEAKER_1
00:02:58
Du hast gesagt, dass du frisch geoutet warst? Als?
SPEAKER_2
00:03:02
Als Schwule.
SPEAKER_1
00:03:03
Okay. Ja, du hast als Kind in Neumarkt eine Gemeinde in Oberfranken gewohnt. Wie war es für dich dort aufzuwachsen?
SPEAKER_2
00:03:13
Sehr behütet tatsächlich, auch sehr angenehm. Wir haben sehr schönes Umfeld damals da gehabt. Meine Eltern, sowieso die besten, haben mich immer mit allem unterstützt. Aber ja, natürlich, das war ein kleines Dorf in Oberfranken und wir sind noch tiefer nach Oberfranken reingezogen, sogar in meiner Jugend. Und deswegen kam auch das späte Outing irgendwie zustande, weil du hattest keinen Leihkontakt zu Gleichgesinnten. Deswegen hat das innere Outing schon so lange gedauert, irgendwie mir selber damit klar zu werden, wie meine Sexualität ist und dass es auch okay ist. Und dass ich eben nicht alleine damit bin. So dieser berühmte einzige Schwule auf dem Dorf, so hat man sich halt lange gefühlt. Und ja, das hat ein Outing unheimlich schwierig gemacht. Weil meine Eltern mich immer bestärkt haben, zu mir selber zu stehen tatsächlich. Aber die Kindheit war sehr behütet, sehr schön, sehr schöne Kindheit. Ich erinnere mich gern dran zurück.
SPEAKER_1
00:04:10
Hattest du auch Geschwister?
SPEAKER_2
00:04:12
Nee, ich bin Einzelkind, hab inzwischen aber Stiefgeschwister. Mein Papa ist wieder in einer neuen Beziehung. Da sind noch drei Kinder da quasi. Kinder ist blöd gesagt, die sind ja schon erwachsen mittlerweile. Aber das kam auch erst mit dem Umzug hierher, also aufgewachsen als Einzelkind.
SPEAKER_1
00:04:32
Okay. Gia, was bedeutet es für dich queer zu sein?
SPEAKER_2
00:04:38
Was bedeutet es für mich queer zu sein? Das ist eine, ich würde sagen gar nicht so einfache Frage, weil ich da tatsächlich nie wirklich drüber nachdenke, zumindest so in meinem Alltag. Ich bin vom Umfeld her sehr gut aufgehoben, würde ich mal sagen, sehr unterstützend aufgehoben. Stehen alle hinter dem, was ich mache, die ich kenne. Finden das alle toll, was ich mache. Aber ja, es gibt immer wieder auch diese Momente, wo man natürlich merkt, so für viele ist das gar nicht so normal. Und da ist viel Befangenheit, da ist viel Vorurteil da. Das ist manchmal schon schwierig, würde ich mal sagen. Würde ich es ändern wollen? Auf keinen Fall. Also mich selber ändern wollen, auf keinen Fall. Ich bin, ich bin sehr froh, dass es so ist, wie es ist. Und bin auch sehr froh, dass vielleicht gerade dadurch, wie die Umstände noch sind, einen in diese, in diese gemeinschaftliche Sehne reinbringen, die, die sehr viel Schönes mit sich bringt. Sehr schöne Veranstaltungen, sehr tolle Menschen. Viele, viele Künstler sind in der queeren Sehne zu Hause. Sehr interessante Menschen einfach. Und ja, das würde ich sagen, ist so für mich die größte Bedeutung dahinter eigentlich queer zu sein selber, Teil dieser Sehne sein zu können.
SPEAKER_1
00:05:56
Würdest du sagen, dass du dich in eine relativ geschützte Bibel bewegst?
SPEAKER_2
00:06:02
Im Großen und Ganzen, ja. Ich hab Job bedingt, weil ich bin ja im privaten, äh, oder out of drag bin ich ja als Reitlehrer tätig. Im privaten ist da auch, blöd gesagt, ist ja auch ein Beruf. Und da natürlich von einem sehr heteronormativen Umfeld umgeben. Aber hab dann nie Schwierigkeiten gehabt. Also ich geh immer offen mit meiner Sexualität um und auch mit meiner Kunst. Ich halte das gar nicht irgendwie verborgen vor irgendwem, sondern im Gegenteil, lade die auch immer schön fleißig zu den Shows ein, kauft ein Ticket, ist schön, könnt euch anschauen. Aber ja, das ist trotzdem eine sehr geschützte Bubble irgendwie. Bin wenig, ansonsten privat wenig im heteronormativen Umfeld unterwegs, auch wenn ich feiern gehe, sind das eigentlich immer queere Veranstaltungen. Das wähle ich für mich aber auch bewusst so, muss ich ehrlich sagen. Ich vermeide viele Veranstaltungen, wo ich weiß, da kommt, da könnte Stress entstehen.
SPEAKER_1
00:07:02
Ja, weil es sich einfach unsafe anfühlt.
SPEAKER_2
00:07:05
Genau, an vielen Stellen schon. Hängt natürlich auch immer damit zusammen, mit welcher Gruppe man unterwegs ist, wie groß diese Gruppe auch ist, desto sicherer fühlt man sich. Mit dem Alter wird man auch selbst sicherer, das stelle ich auch immer mehr fest. Also wenn ich hier in der Augsburger Innenstadt, wenn ich aus dem Haus gehe, wenn ich das überlege, vor acht Jahren, wo ich angefangen habe, bin ich da noch zitternd rausgelaufen, wenn ich in Drag das Haus verlassen habe. Auch wenn es nur die paar Meter zum Auto waren. Mittlerweile bin ich so, hallo Welt, hier bin ich, ich gehe jetzt zu meinem Auto und fahre irgendwo hin. Das stresst mich gar nicht mehr eigentlich groß.
SPEAKER_1
00:07:46
Schön. Gia, wann hast du entdeckt, dass du queer bist?
SPEAKER_2
00:07:49
Das war ein sehr langer Prozess. Ich glaube, die ersten Anzeichen für mich selber habe ich auch schon relativ früh gesehen. Konnte es aber halt nicht zuordnen. Also so mit elf, zwölf, dreizehn Jahren, dann ist man halt so, okay, ja, ich finde anscheinend Männer auch attraktiv. Aber was das jetzt genau bedeutet, waren wir da so gar nicht so arg bewusst. Und viel von dieser Findung hat auch natürlich unterdrückt, dass man, und das ist ja grad so in meiner Generation, die Leute, die jetzt um die 30 sind, da hat man auf dem Schulhof noch sehr, sehr oft so Sachen wie ja scheiß Schwuchtler. Die haben das natürlich spaßhalber irgendwie gesagt oder irgendwie beleidigend natürlich trotzdem auch gemeint. Und das hat man schnell auf sich selber bezogen. Auch wenn man selber nie so angesprochen wurde. Also wirklich, ich bin nie, in meiner Jugend nie beleidigt worden in der Richtung. Aber weil man halt immer wieder mitbekommen hat, dass sowas als beleidigend benutzt wurde oder hey, das ist voll schwul oder irgendwie solche Aussagen, hat man das immer wieder verdrängt, sich mit sich selber dann zu beschäftigen. Und zu lieber so, nee, ich pass da schon in die Truppe rein und schwul bin ich bestimmt nicht. Also deswegen hat das wirklich lang gedauert. Und dann mit eben Anfang 20 kam mein Outing, wo ich dann meinen ersten Freund kennengelernt hab, und für mich gesagt hab, ich kann das jetzt nicht mehr verstecken. Ich möchte es auch nicht mehr verstecken, gerade in einer Beziehung. Und so ungefähr das halbe Jahr davor, das Jahr davor, seit wir hierhergezogen sind nach Augsburg, hatte ich halt eben die ersten Gelegenheiten, auch in queere Clubs zu gehen, über diverse Plattformen Leute kennenzulernen, mit denen man sich auch unterhalten konnte. Das gab es halt im tiefen Oberfranken einfach so nicht die Möglichkeit. Oder zumindest habe ich sie damals nicht gefunden oder gesehen. Ja und deswegen so dieses Selbstidentifizierung, die hat dann mit Anfang 20 so richtig stattgefunden und kam dann aber auch schnell zum äußeren Outing.
SPEAKER_1
00:09:42
Bist du denn mit deinen ehemaligen Freunden nach Augsburg gezogen?
SPEAKER_2
00:09:46
Nee, den habe ich kennengelernt, als wir schon hier waren.
SPEAKER_1
00:09:50
Weil du hast gesagt wir, als wir nach Augsburg gezogen sind die Familie insgesamt. Ah ok, seid ihr alle zusammen nach Augsburg. Ok.
SPEAKER_2
00:09:57
Das war so eine Familienentscheidung, quasi nach Augsburg zu gehen. Mein Papa kam her wegen seiner neuen Frau. Ich hab damals noch meine Ausbildung im Familienbetrieb gemacht. Musste dementsprechend natürlich auch mit und war natürlich aber auch sehr excited darüber irgendwie in eine größere Stadt zu ziehen und was anderes kennenzulernen als Kaff. Ja und meine Mutter hat dann von sich aus auch gesagt, sie kommt auch hier in die Nähe, weil was soll sie alleine in den Oberfranken. Deswegen war das so ein kollektives Herwandern quasi.
SPEAKER_1
00:10:26
Obwohl sie sich schon getrennt hatten.
SPEAKER_2
00:10:28
Genau.
SPEAKER_1
00:10:29
Okay.
SPEAKER_2
00:10:29
Sie waren da schon getrennt.
SPEAKER_1
00:10:31
Bist du mit queeren Role Models aufgewachsen?
SPEAKER_2
00:10:34
Nee, tatsächlich nicht. Also ich bin mit Pferden aufgewachsen vor allem, deswegen war das auch, als ich frisch in der queeren Szene war, lang gefühlt wie so ein Hinterweltler, weil ich halt von Queer und Popkultur einfach gar keine Ahnung hatte. Natürlich hab ich auch Lady Gaga und Co. gehört, aber das hat für mich überhaupt keine Zusammenhänge gegeben. Das würde ich heute natürlich ganz anders sehen oder einschätzen oder einwerten. Aber so direkt aufgewachsen damit natürlich nicht. Also das waren ja Anfang 2000, also 2000, 2000 bis 2010 war so meine Jugend. Wie viel hat man da im Fernsehen von Queer sein mitbekommen noch zu der Zeit? Also wenn sie sich heute noch darüber beschweren, dass das doch so wenig ist, manche denke ich mir so, naja, du hättest mal vor zehn Jahren gucken müssen. Also da warst du froh, wenn du mal so, wenn da so ein schwules Paar mal durchgehuscht ist oder so ein, aber wirklich klischee-Schwule einmal kurz durchs Bild gesprungen ist. Dann war das alles, was es da an Darstellung gab von Homosexualität oder Queer sein überhaupt. Ja, da sind wir natürlich jetzt irgendwie noch mal zehn Jahre später viel, viel, viel weiter.
SPEAKER_1
00:11:40
Was würdest du gerne deinem jüngeren Ich sagen?
SPEAKER_2
00:11:45
Komm aus dem Quark mit deinem Outing. Versteck dich nicht so lange tatsächlich. Also das ist eine der wenigen Dinge in meinem Leben, die ich wirklich bereue. Ich hab auch sonst viele Fehler gemacht, keine Frage, wie jeder. Die meisten Fehler sehe ich aber einfach als Lerneffekt für die Zukunft und bin sehr dankbar, dass ich sie gemacht hab und daraus lernen konnte. Aber das ist was, was ich wirklich, wirklich bereue, dass ich nicht früher es geschafft hab, zu mir selber zu stehen. Weil natürlich so grad die Zeit zwischen 16 und 20 ist halt super aufregend für junge Schwule. So die ersten mal auf Partys und da irgendwie ganz viel erleben. Und da gibt es so viel, so viele Möglichkeiten in dem Alter. Und das hab ich einfach komplett verpasst.
SPEAKER_1
00:12:32
Und du meintest, dass deine Eltern eigentlich eh unterstützen waren? Also den Druck kam eh vom Außen.
SPEAKER_2
00:12:41
Ja, also die innere Beschränkung, die man sich da aufgebaut hat, kam einfach viel durchs Umfeld freundestechnisch. Und was man da halt einfach so mitbekommen hat, eben wie das Begriffe wie Schwule ständig als Beleidigung verwendet wurden. Und man hat immer mehr das Gefühl gekriegt hat, das ist nicht okay so zu sein. Von meinen Eltern kam das gar nicht. Die hätten auch sowas nie gesagt.
SPEAKER_1
00:13:07
Und das war danach auch nie ein Problem mit denen?
SPEAKER_2
00:13:09
Nö. Die sind meine größten Fans. Die sitzen bei jeder größeren Show im Publikum. Die nehmen meine Freunde, er ist jetzt der Dritte, den ich hab in 30 Jahren oder 10 Jahren auf dem Leben. Die nehmen die immer direkt in die Familie mit auf. Das ist überhaupt gar kein Problem. Da ist auch das Einzige, was mein Papa mal gesagt hat, er fand es schade, dass ich es ihm so spät erst gesagt habe. Und nicht direkt gesagt habe, sondern dass er es irgendwie schon vorher über zwei Ecken mitbekommen hat. Er war dann ein bisschen enttäuscht quasi, dass ich nicht so offen mit ihm reden konnte. Da musste ich ihm dann auch erstmal erklären, wie schwierig das dann doch damals war. Heute ist es vielleicht ein bisschen einfacher in der Gesellschaft geworden, aber immer noch nicht leicht. Aber zu der Zeit war es wirklich noch schwer, sehr schwer. Klar, wenn du in der Stadt bist und hast viel entsprechendes Umfeld, mag das auch alles noch mal einfacher sein. Aber eben so im hintersten Eck von Deutschland irgendwie, wo gefühlt niemand um dich herum ist, der auch nur ansatzweise so ist wie du, ist es super schwierig. Einfach diese Riesenangst, ein komplettes Umfeld zu verlieren, wenn sie dich nicht akzeptieren würden. Das war das, was mich immer so zurückgehalten hat.
SPEAKER_1
00:14:29
Wie wichtig ist dir Queerness in deinem Umfeld?
SPEAKER_2
00:14:32
Super, super wichtig. Wir haben es ja vorhin schon kurz angesprochen, dass in der queeren Community so tolle, tolle Leute, die möchte ich gar nicht missen. Also wirklich überhaupt nicht. Das kann mir persönlich gar nicht bunt genug sein.
SPEAKER_1
00:14:47
Hat das Wort Community eine große Bedeutung in deinem Leben?
SPEAKER_2
00:14:53
Eine sehr große, würde ich sogar sagen. Also ich habe eine tolle echte Familie oder Blutsverwandtschaft und ich habe noch eine sehr tolle Chosen-Family, wie man so schön sagt, gerade über Drag. Es ist einfach nicht zu ersetzen, was man da nochmal an Freunden und Familie quasi dazu gewinnt. Deswegen ist dieser Punkt Community für mich auch wirklich so so wichtig. Und ich kämpfe immer dafür, dass alle zusammenhalten und sich vertragen. Ich muss nicht jeden lieben, aber gerade wenn wir als Minderheit dastehen, sollten wir uns auf keinen Fall bekriegen oder gegenseitig bekämpfen, sondern immer unterstützen. Auch wenn ich vielleicht nicht alles gut finde, was andere machen, aber das würde ich öffentlich zum Beispiel nie so formulieren, sondern immer immer erstmal dahinterstehen und dann unter vier Augen sagen so, bist du sicher, dass du das so machen möchtest? Es gibt vielleicht schlauere Lösungen dafür, aber als Community sollte man eigentlich immer zusammenhalten und das finde ich so so wichtig und da stehe ich auch immer dafür.
SPEAKER_1
00:15:53
Gia, was tust du gerne?
SPEAKER_2
00:15:55
Was tue ich gerne? Na ja, ich hab meine Hobbys zum Beruf gemacht, also arbeite ich wahrscheinlich sehr gerne und arbeite ja auch meistens irgendwie sieben Tage die Woche, da ist dann für weitere Freizeit nicht allzu viel Zeit. Aber wenn die mal ist, dann ist für mich einfach das Schönste, wenn man mit Freunden irgendwas unternimmt, egal was. Also wir fahren mal spontan in den Europapark für zwei Tage und lassen dann die Sau raus oder gehen irgendwann ins Theatermusical was anschauen oder chillen uns einfach an den See für ein paar Stunden. Das sind für mich die schönsten Momente in der Freizeit. Also da brauche ich dann nicht noch irgendwie so ein Hobby oben drauf oder ein striktes Programm, weil wie gesagt, meine Hobbys sind mein Beruf geworden.
SPEAKER_1
00:16:36
Magst du ein bisschen mehr über deine Hobbys sagen?
SPEAKER_2
00:16:39
Ja, also das eine war ja das Reiten. Das habe ich bereits vor 12 Jahren jetzt zum Beruf gemacht. War damals noch im Rait Sport aktiv, in der Werke in Equitation. Da geht es um die Arbeitsreitweisen, die vereinigt wurden zu einem Wettkampf quasi. Und habe mich dann viel damit beschäftigt, problematische Pferde wieder in Ordnung zu bringen.
SPEAKER_1
00:17:00
Was sind denn problematische Pferde?
SPEAKER_2
00:17:04
Eigentlich mag ich den Begriff nicht mal, aber Pferde sind eigentlich nie problematisch. Sie werden nur zum Problem, wenn der Mensch Mist macht. Es sind also Pferde, die sich nicht mehr anfassen lassen, die beim Reiten buckeln in einer Tour oder nach einem Menschen treten. Und dann jetzt weiterführend habe ich mich mittlerweile auf viele mit auseinandergesetzt eben Pferde, die nach langen Verletzungspausen nicht mehr richtig laufen können oder dass wir die wieder ordentlich aufbauen. Genau. Also das ist so. Meine Kernkompetenz in dem Bereich, da habe ich viel Zeit investiert, viel Learning auch gemacht, natürlich über die Jahre. Und da geht mir aber jedes Mal wieder das Herz auf, wenn ich merke, dass ein Pferd, was schon abgeschrieben wurde, wieder Freude an der Arbeit selber erlebt und die Menschen wieder Freude an dem Pferd erleben.
SPEAKER_1
00:17:46
Das klingt wie eine sehr therapeutische Arbeit, oder?
SPEAKER_2
00:17:50
Ja, ich sage auch immer wieder, ich hätte eigentlich Psychologie studieren sollen und mindestens 180 Euro pro Redstunde verlangen. Genau, das ist also vor allem für die Menschentherapie. Es ist selten, dass du dich beim Pferd lange brauchst, um Verhalten zu korrigieren. Das kommt aber immer wieder auf, wenn die Menschen ihr Verhalten nicht ändern. Also und das ist aber finde ich persönlich das Schöne an der Arbeit mit Pferden, die spiegeln direkt dein eigenes Verhalten wieder. Und da lernt man sehr schön so eine innere Ruhe zu finden, so eine innere Klarheit zu finden. Lernt auch daraus, sich immer klar auszudrücken, was man möchte, was man nicht möchte. Klare Grenzen zu setzen, das sind Themen, die für den Alltag oder fürs persönliche Wachstum extrem wichtig sind. Und das merke ich immer wieder auch bei mir selber. Auch das ist aber auch kein endender Prozess, also das ist ein dauernder Prozess, der da stattfindet. Und das ist so schön. Das ist so schön. Man lernt sich immer wieder mal ein bisschen mehr und ein bisschen neu kennen. Und diese Möglichkeit zu reflektieren, lernt man sehr gut aus der Arbeit mit Pferden. Die hat jeder. Muss die nur annehmen.
SPEAKER_1
00:19:05
Und das andere Hobby war Drag.
SPEAKER_2
00:19:07
Das andere Hobby war Drag. Mittlerweile ist es eine halbe Profession geworden. Beides für mich Berufungen mehr als Beruf tatsächlich. Ja, was soll man zu Drag sagen? Das ist halt einfach bunt. Das ist kreativ. Man kann Kunst in verschiedensten Formen machen. Man lernt auch wieder sich selber neu kennen. Man lernt andere Menschen ganz anders kennen. Das ist immer sehr interessant, wie wir Menschen begegnen, wenn ich nicht in Drag bin. Im Vergleich dazu, wenn ich in Drag bin. Also gerade wenn es neue Leute sind, die ich kennenlerne. Hat mir aber auch viel geholfen. In Drag muss man natürlich offen auf die Leute zu. Das ist so ein bisschen dein Job, gerade wenn du Veranstaltungen hostest. Du musst alle begrüßen, du musst die alle kennenlernen. Die wollen natürlich auch immer irgendwie kurz schnacken und so. Und das ist was, das konnte ich privat immer ganz schlecht, wenn ich nicht schon von Haus aus wie beim Reiten oder so eine Topik hatte, wo ich sagen kann, okay, darüber muss ich mit dir sowieso sprechen, dann war das für mich immer schwierig, so einen Einstieg zu finden in Gespräche mit fremden Leuten. Und durch Drag habe ich das aber sehr gut lernen können, auch privat mehr auf Leute zuzugehen und mich auf Gespräche einzulassen. Das war natürlich auch sehr cool. Und gleichzeitig habe ich damit auch das Singen für mich neu entdeckt, hab schon immer gern gesungen, aber halt so für mich, dachte nie, dass das irgendwas für die Bühne wäre. Dann habe ich aber in Drag Foxy kennengelernt, meine heute beste Kollegin, mit der ich jetzt am nächsten Freitag, am 13.9. eben das Konzert gebe in der Nachtstellung. Und hab gesehen, hey, die singt ja auch live. Weil bis dahin kannte ich Drag Queens eher so lip-singen. Vielleicht kann ich das auch mal probieren. Ja, und so hat das angefangen.
SPEAKER_1
00:20:53
Und du hast direkt mit Livegesang angefangen und hast da auch Lip-sinking gemacht.
SPEAKER_2
00:20:58
Ich hab auch Lip-sinking gemacht, immer wieder mal. Machs auch zwischendrin mal, weil ich immer finde, das klingt vielleicht blöd, aber ich finde, das ist so ein Grundskill, was ein Gravis-D-Künstler oder eine Drag Queen haben sollte, ist halt auch zu lip-sinken. Das muss nicht jeder machen, aber können sollte man es. Ich machs auch nicht unbedingt mega gerne, aber ab und zu schon mal. Aber 90 Prozent der Zeit sing ich selber. Finde ich künstlerisch ein bisschen anspruchsvoller. Für mich persönlich, muss jeder selber wissen natürlich, was seine persönliche Herausforderung ist, der er sich stellen möchte.
SPEAKER_1
00:21:33
Und ich hab schon mitbekommen, dass die Menschen sehr darüber begeistert sind, über deinen Live-Gesang.
SPEAKER_2
00:21:39
Vielen Dank, ja. Ist natürlich immer schön zu hören.
SPEAKER_1
00:21:44
Dir was und wer inspiriert dich?
SPEAKER_2
00:21:48
Ganz, ganz, ganz verschieden ist. Es sind viele andere Künstler, die mich inspirieren. Wenn es um Optik geht, gibt es natürlich etliche Drag Queens, wo ich sage, die sehr kreativ unterwegs sind. Das gefällt mir sehr gut.
SPEAKER_1
00:22:03
Möchtest du vielleicht ein paar Namen nennen für Menschen, die sich überhaupt nicht auskennen?
SPEAKER_2
00:22:09
Beim Regenbogenempfang zum Beispiel. Mein Look war natürlich ein bisschen inspiriert von Sasha Velour, gemischt aber tatsächlich mit einer Sängerin, Cynthia Erivo, die neuerdings oder zu der Zeit auch mit Glatze auf der Bühne, ein schönes Kleid und ein toller Song. Und das sind aber hauptsächlich meine Inspirationen, sind eigentlich gar nicht so viele andere Drag Queens. Es gibt noch Jinx Monsoon, die unter anderem jetzt an Broadway gesungen hat in Chicago. Das ist natürlich so ein Live-Goal, was man als singende Drag Queen auch hat, irgendwie so in wirklich großen Häusern spielen zu dürfen und da involviert zu sein. Aber meine größten Idole sind Sängerinnen, also wirklich großartige Stimmen, wie zum Beispiel Cynthia Erivo, wie Shirley Bassey, Aretha Franklin, Kristin Chenoweth. Also da gibt es wirklich, wirklich ganz, ganz tolle Künstler, an denen ich mir immer versuche, ein Beispiel zu nehmen, ständig dazuzulernen. Da geht es viel um Skills. Also gerade beim Singen, das ist immer nett gesagt. Wenn jemand sagt, du bist talentiert, sage ich, es mag sein. Aber ohne die Arbeit dahinter geht es auch nicht. Also es ist wirklich viel, viel harte Arbeit, seine Stimme dahin zu bringen, sich zu trainieren, die Techniken zu lernen, die man braucht. Und dann trotzdem sich zu erhalten, dass man ja was performt. Also das Gefühl auch zu transportieren, das ist so das, was mir persönlich immer ganz, ganz wichtig ist. Und da sind eben solche Leute immer eine große Idole, die sich technisch sehr gut gebildet haben und trotzdem einfach eine Wahnsinns-Show abliefern. Gleichzeitig.
SPEAKER_1
00:23:48
Hast du Single-Unterricht genommen?
SPEAKER_2
00:23:51
Zu lange nicht tatsächlich. Zu lange für mich selber versucht, das einfach auszufinden. Inzwischen bin ich regelmäßig im Unterricht.
SPEAKER_1
00:24:00
Okay, was heißt regelmäßig?
SPEAKER_2
00:24:02
Alle zwei Wochen tatsächlich. Wenn ich mehr Zeit hätte, würde ich auch öfter gehen. Aber das lässt einfach meine Zeit nicht zu.
SPEAKER_1
00:24:10
Okay. Für bestimmte Performance bedeutet drag, Gender auf die Bühne zu bringen und zu thematisieren. Wie ist es für dich?
SPEAKER_2
00:24:20
Ich sag immer gern, in dem Moment, wo ich mir die Perücke aufsetze und das Make-up ins Gesicht haue, setze ich sofort ein politisches Statement. Für mich ist es das Statement, dass Gender völlig egal ist. Und so sehe ich das auch. Wenn ich was anziehen will, zieh ich es an. Wenn ich was tragen will, trage ich es. Wenn ich mir Make-up ins Gesicht hauen möchte, dann tue ich das einfach. Es spielt so überhaupt keine Rolle. Ich hab viele Looks auch in meiner Zeit schon gemacht, die sehr genderfluid sind, die so irgendwie zwischen den Geschlechtern hängen. Und ich finde das immer interessant, desto femininer mein Look ist, desto weniger provozierter. Das merkt man sehr schnell, wenn man so ein bisschen unterwegs ist. Die Blicke sind zwar schon immer noch ruck, aber nicht so stark, wie wenn das wirklich so zwischen den Geschlechterrollen hängt und mehr so Richtung Club-Kid-Looks geht, die keine klare Definition von Geschlecht mehr hergeben oder herleiten lassen. Und das ist schon fast, das macht tatsächlich sehr viel Spaß.
SPEAKER_1
00:25:18
Was kriegst du dafür ein Feedback?
SPEAKER_2
00:25:21
Naja, das geht von wirklich ganz blöden Blicken zu absoluter Bewunderung. Also das ist schwer zu sagen. Es kommt sehr darauf an, wo man sich natürlich auch gerade bewegt. Im queeren Umfeld ist das meistens eher, boah du schaust toll aus. Wenn man über die Straßen läuft, kommt schon eher mal so ein Ü. Und ab und zu hört man dann auch mal das scheiß Schwuchtel hinterhergerufen. Mehr ist mir persönlich Gott sei Dank noch nicht passiert. Da klopf auf Holz, dass das auch so bleibt. Ich weiß aber, dass es da vielen anderen schon anders ging.
SPEAKER_1
00:25:57
Spielen weibliche Stereotypen eine wichtige Rolle in deiner Art zu performen?
SPEAKER_2
00:26:04
Jein, würde ich sagen, jein. Die meiste Zeit lasse ich einfach meine feminine Seite raus, was sie für mich bedeutet. Ich versuche aber jetzt keine Stereotype bewusst aufzugreifen. Sehr selten. Es gibt schon Nummern oder Performances, die brauchen das vielleicht auch so ein bisschen, dass man mit Klischees und Stereotypen spielt und die bewusst zieht. Und das ist ja auch irgendwie das Lustige an Drag, dass man sowas total auseinanderlegen kann, sowohl männliche als auch feminine Stereotype und so ein bisschen ins Lächerliche ziehen kann, ganz bewusst. Das ist ein schöner Punkt an der ganzen Kunstform. Ich selber mach das, wie gesagt, aber eher wenig.
SPEAKER_1
00:26:46
Wie stellst du dich die Zukunft von Gia La Rue vor?
SPEAKER_2
00:26:52
Am liebsten jede Woche auf irgendwelchen großen Bühnen singen. So viel, dass ich nichts anderes mehr machen muss. Es muss jetzt kein mega finanzieller Erfolg dahinterstehen, aber die Freiheit, meine Kunst zu machen, ohne mir übers finanzielle Gedanken machen zu müssen, das wäre die Zukunft, die ich mir wünschen würde für mich und für Gia.
SPEAKER_1
00:27:17
Würdest du auch die Arbeit mit den Pferden dafür abgeben?
SPEAKER_2
00:27:21
Definitiv. Mit den Pferden nicht, aber mit den Menschen, die da dranhängen. Die können durchaus mal etwas schwierig werden. So und dann die Pferde lieber wieder als reines Hobby, könnte ich mir durchaus gut vorstellen.
SPEAKER_1
00:27:37
Gia, wie ist es für dich als queere Person in Augsburg zu leben?
SPEAKER_2
00:27:41
Ich finde es sehr angenehm in Augsburg tatsächlich. Also wenn ich es mit anderen Städten vergleiche, wie oft in München blöde Sprüche oder Blicke kommen, wie oft in Berlin sogar, wo Berlin immer so als offen gilt, da ist mir am öftesten was passiert, obwohl ich da so selten bin. Auch wieder Gott sei Dank nie körperlicher Angriff, aber dumme Sprüche oder ähnliches kommt da schon häufiger, je nachdem natürlich in welcher Ecke man unterwegs ist. Und das habe ich in Augsburg wirklich noch gar nicht gehabt tatsächlich, weder in Drag noch out of Drag. Deswegen fühle ich mich hier persönlich sehr, sehr wohl, auch wenn man natürlich weiß, dass auch in Augsburg schon Sachen passiert sind, aber es ist an sich eine sehr nette, sehr offene Stadt, finde ich tatsächlich. Richtig zu Hause geworden mittlerweile.
SPEAKER_1
00:28:25
Gibt es etwas in Augsburg, dass du dir für queeren Menschen wünschen würdest?
SPEAKER_2
00:28:31
Das ist ja was, wo viele Vereine hier schon dran sind, ist so ein Zentrum, wo alles zusammenkommen kann. München hat mit dem SUP, das Schule-Kommunikations- und Kulturzentrum, wo verschiedene Veranstaltungen stattfinden, Hilfsangebote da sind und so weiter. Wir haben das natürlich alles in Augsburg schon irgendwie, aber sehr verstreut, finde ich sehr dezentral und auch eben noch keinen so richtigen Community-Space, wo alle mal ein bisschen mehr zusammenkommen können. Genauso wäre es halt schön, wenn wir mal wieder eine queere Bar oder ein Club auch hätten, wo man einfach weiß, da ist ein konstanter Safe Space da. Aktuell haben wir immer noch die Love Pop, das ist schon gut, die so ein bisschen diesen Safe Space bietet, aber finde ich persönlich halt viel zu selten für eine Stadt mit so vielen Einwohnern.
SPEAKER_1
00:29:21
Die Drag-Szene wird manchmal als Subkultur der queeren Community gesehen. Hast du einen Wunsch für die Drag-Szene?
SPEAKER_2
00:29:30
Sie darf gerne noch weiter wachsen in Süddeutschland. Ich meine, sie ist enorm gewachsen seit ich angefangen habe. Damals, als ich angefangen hab, waren es wirklich wenige Nachwuchskünstler. Man hat in Bayern relativ viele Travestiekünstler, aber so ältere Generation. Es waren aber nur eine Handvoll Nachwuchskünstler zu der Zeit. Das heißt immer so schön Konkurrenz belebt das Geschäft und in keinem Bereich, glaube ich, trifft das so zu wie bei Travesti oder Drag. Dass du mehr das da ist, dass du präsenter wirdest, dass du mehrmals die Leute sehen und dass du mehr Möglichkeiten bieten, sich auf einmal auch künstlerisch und das hat man in München wirklich schon gut beobachten können. Mit dem Wachstum der Sehne ist auch das Potenzial oder die Möglichkeiten für Auftritte, für das Ausüben der Kunst einfach gewachsen, das Angebot gewachsen und das hätte ich mir tatsächlich wünschen. Ansonsten stelle ich aber eh fest, bewachsen konstant, wir haben sehr schönen Zusammenhalt in der Drag-Szene hier in Bayern, das finde ich gut. Es ist da wenig bis gar kein Zickenkrieg da. Das darf gern so bleiben. Das darf sich bloß nicht ändern. Ich finde das richtig gut so.
SPEAKER_1
00:30:43
Und du hast die House of Larue gegründet. Magst du ein bisschen mehr über Dragon-Häusern erzählen?
SPEAKER_2
00:30:53
Natürlich nicht jede Drag hat ein komplettes eigenes Haus, aber im Endeffekt entsteht das bei manchen einfach, also bei mir ist das auch einfach so entstanden. Ich wurde dann auch gefragt, hey, ich möchte auch Drag machen, kannst du mir das zeigen? Und so kam das quasi zustande. Und zusammen mit Pinnäkulada aus München haben wir jetzt unsere Häuser quasi schon vereint, weil wir jetzt so die zwei sind, die das wirklich durchziehen mit dem Haus. Und mehrere Drag-Töchter oder Drag-Söhne jetzt auch mit den Drag-Kings in unseren Häusern haben. Und im Endeffekt heißt es eigentlich nur, es ist wieder wie im Chosen Family, es ist Unterstützung untereinander. Als Mutter von einem Haus ist man quasi so der Mentor, die Mentorin des ganzen und leitet die anderen Nachwuchskünstler so ein bisschen an. Und hilft ihnen ein bisschen auf die Sprünge, bis irgendwann der Punkt kommt, wo man sagt, jetzt mach mal dein Scheiß alleine, jetzt muss es aber auch mal können. Ja, das ist einfach ein schönes Ding, wenn man wie gesagt noch mal so eine zweite kleine Familie dazu bekommt, die sich gegenseitig einfach bei allem unterstützt. Und da geht es weit über die Kunst hinaus. Wenn einer von denen schreit, ich brauch Hilfe, dann sind wir alle da. Das ist wirklich schön.
SPEAKER_1
00:32:12
Wie viele Drag-Kinder hast du?
SPEAKER_2
00:32:15
Offiziell aktuell drei.
SPEAKER_1
00:32:17
Okay.
SPEAKER_2
00:32:18
Genau.
SPEAKER_1
00:32:19
Und das ist glaube ich so, dass damals in New York die Häuser wurden gegründet um queere Kinder, die einfach weggeschmissen wurden von zu Hause, um sie zu beschützen, oder?
SPEAKER_2
00:32:34
Ja, das ist ungefähr der Ursprung der ganzen, also der kulturelle Hintergrund, warum das heute noch so gehandhabt wird. Das war viel in dieser Ballroom-Szene auch einfach. Dann ist das viel mit gewachsenes Thema.
SPEAKER_1
00:32:48
Magst du Gott zu erzählen, was diese Ballroom-Szene ist?
SPEAKER_2
00:32:52
Da bin ich tatsächlich, glaube ich, der fast falsche Ansprechpartner für diese Frage. Aber so grob umrissen, das war auch viel mit der Trans- und Drag-Bewegung eben damals. Daraus sind auch, so weit ich weiß, die Stonewall Riots entstanden. Aus denen dann der CST erwachsen ist. Das war einfach ein künstlerisches Zusammenkommen in der queeren Szene.
SPEAKER_1
00:33:15
Die Stonewall Riots, wo die Drag Queens eine enorm wichtige Rolle gespielt haben.
SPEAKER_2
00:33:20
Mehr tatsächlich die Trans-Frauen, also vor allem POC-Transfrauen haben da eine riesen Rolle gespielt, aber die Drag Queens auch mit dabei. Denen hat es halt irgendwann dann gereicht. Und das war auch gut so. Ja, worauf man sehr stolz sein muss. Das ist was, was viel von leider grad schwulen CIS-Männern oft vergessen wird, die dann anfangen irgendwie transfeindlich zu werden. Wo ich mir denke, du vergisst gerade, dass genau diese Person, die du jetzt anfeindest, damals den Startschuss gegeben haben, dass wir für unsere Rechte gekämpft haben und aus dieser Depression rauskommen sind, die damals noch so herrschte.
SPEAKER_1
00:34:04
Ja, definitiv. Gibt es Drag-Kings in Augsburg?
SPEAKER_2
00:34:10
Ja, die, die ich halt anschleppe. Also Alex Fein, mein quasi Drag-Sohn, der auch singt, sehr gut singt, den hab ich quasi mit hergebracht. Und zwar ein bisschen außerhalb, aber zählt sich selber immer zu Augsburg, dadurch, dass er halt zum Haus auf La Rue gehört.
SPEAKER_1
00:34:29
Okay, wusste ich nichts davon. Wir haben tatsächlich für den Like-Mart in diesem Jahr einen Drag-King oder Drag-Kings gesucht und wussten einfach von niemandem. Und jetzt weiß ich Bescheid.
SPEAKER_2
00:34:40
Im Zweifel immer mich fragen, wenn ihr Drag-Artists braucht, egal welcher, ich kenne sie alle, zumindest die verfügbaren hier in Bayern.
SPEAKER_1
00:34:49
Werd ich definitiv machen. Gia, gibt es etwas anderes, das du gerne in diesem Podcast teilen möchtest?
SPEAKER_2
00:34:58
Ich hätte viel zu erzählen, wenn der Tag noch mal ungefähr 24 Stunden mehr hätte. Aber du kannst mir gerne einfach noch Fragen stellen, die dich interessieren würden.
SPEAKER_1
00:35:06
Ich glaube, eine wichtige Botschaft wäre, Gender Performance hat nichts mit Gender Identity zu tun. Wie siehst du das?
SPEAKER_2
00:35:14
Ich sehe das absolut genauso. Also da ist überhaupt kein Zusammenhang. Es gibt schon einige Trans-Personen, die über Drag zu ihrer geschlechtlichen Identität gefunden haben. Aber den Rückschluss zu ziehen, dass jeder, der Drag macht, auch in irgendeiner Form trans oder nicht binär ist, ist, finde ich, überhaupt nicht zulässig und auch nicht sinnig. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Travestie oder Drag ist einfach eine Kunstform, die eben mit Geschlechterrollen spielt, die das Thema irgendwo schon aufgreift, hat aber nichts mit geschlechtlicher Identität zu tun.
SPEAKER_1
00:35:54
Und eine Frau oder eine nicht binäre weiblich gelesene Person darf als Drag-Queen auftreten und umgekehrt ein Mann oder eine nicht binäre männlich gelesene Person darf als Drag-King auftreten.
SPEAKER_2
00:36:10
Durchaus. Dem ist ja keine Grenzen gesetzt. Was genau Drag ist, sollte auch keiner definieren.
SPEAKER_1
00:36:17
Definierst du es für dich?
SPEAKER_2
00:36:20
Für mich selber überhaupt nicht. Es gibt so paar Sachen, die sage, die mach ich in Drag einfach so, weil das für mich zum Look gehört. Ansonsten würde ich mich da nicht komplett mitfühlen. Das ist zum Beispiel bei mir, hohe Schuhe ist ein Muss. Mich wirst du in Drag höchstens im Backstage mit flachen Schuhen erleben. Niemals Upfront. Ansonsten ist da jede Freiheit. Ich weiß nicht, das ist einfach für mich so ein Ding. Ich finde das auch bei Drag Queens einfach persönlich nicht ansprechend, wenn die in flachen Schuhen performen, vor allem auf der Bühne. Wenn sie so dann irgendwie nach einem langen Tag noch in flachen Schuhen rumlaufen, bin ich schon so, naja, okay, verstehe ich, für sie bluten irgendwann, aber gerade auf der Bühne denke ich mir so, kannst du machen, das ist nicht mein Geschmack. Ist einfach nicht mein Geschmack. Ich finde dann fehlt so dieses kleine extra obendrauf. Gut, du kannst in flachen Schuhen toll tanzen. Dein Make-up ist auch nicht ganz scheiße. Okay, jetzt mach das in High Heels, dann bin ich richtig excited, wenn du das genauso hinkriegst. Das gehört für mich einfach irgendwie dazu. Und vielleicht hat es auch damit zu tun, dass ich es persönlich sehr schade finde, dass viele weiblich gelesene Personen sich eben nicht mehr so viel herrichten. Ich finde das insgesamt schade. Also egal ob weiblich oder männlich gelesene Personen, wenn die sich einfach nichts aus sich machen. Und so ein schöner High Heels ist einfach mal so ein Tüpfelchen auf den Look drauf, finde ich. Also es gibt natürlich auch schöne flache Schuhe. Wenn das ein sehr femininer Look ist, dann ist einfach ein Heel dazu einfach mal was Tolles. Aber wie gesagt, persönlicher Geschmack.
SPEAKER_1
00:37:58
Du bist doch Make-Up Artist. Wie hast du das gelernt?
SPEAKER_2
00:38:02
Ja, Make-Up Artist ist vielleicht übertrieben gesagt. Gelernt habe ich es natürlich nicht, aber ich mache einfach seit acht Jahren Make-Ups bei mir und bei anderen. Ein paar Skills kriegt man da schon mit. Also ich kann Make-Up machen. Ich kann dir aber nicht im Shop sagen, welchen Hautton du hast und welchen Make-Up Ton du dazu brauchst. Da bin ich dann auch schon ein bisschen aufgeschmissen. Also die Skills, die man noch bräuchte, um wirklich zertifizierter Make-Up Artist zu sein, da ist noch ein bisschen Luft.
SPEAKER_1
00:38:32
Hast du einfach Learning by Doing gemacht?
SPEAKER_2
00:38:35
Ja, das war Learning by Doing. Das meiste selber beigebracht. Hier und da schon mal irgendwo auch einen Tipp abgestaubt, weil jemand gefragt und mir sagt, ey, was mach ich denn das? Und ja, Learning by Doing.
SPEAKER_1
00:38:49
Okay. Zum Schluss hast du vielleicht Lust auf einen Quickie mit mir. Es geht nicht um Sex, sondern um eine Fragenreihe, die du kurz und knackig beantworten darfst.
SPEAKER_2
00:39:01
Kurz und knackig? Okay, wir versuchen es.
SPEAKER_1
00:39:03
Cool. Let's go. Die Qualität, die du bei einer Person am meisten schätzt?
SPEAKER_2
00:39:10
Charakter.
SPEAKER_1
00:39:12
Deine größte Qualität?
SPEAKER_2
00:39:15
Hab ich eine?
SPEAKER_1
00:39:17
Come on.
SPEAKER_2
00:39:19
Ähm, Empathie.
SPEAKER_1
00:39:22
Was macht dich glücklich?
SPEAKER_2
00:39:25
Glückliche Menschen.
SPEAKER_1
00:39:27
Schöne Antwort. Was hat dich letztens stolz gemacht?
SPEAKER_2
00:39:32
Der Regenbogen-Empfang. Dieser Auftritt war einfach nur toll.
SPEAKER_1
00:39:35
Magst du kurz erzählen, was es war?
SPEAKER_2
00:39:38
Ja, das war eben der Regenbogen-Empfang der Stadt Augsburg, der zweite, im Goldenen Saal, im Rathaus und das war einer der Performance-Momente für mich, die mich so richtig mit Stolz erfüllt haben da stehen zu dürfen, meine Kunst machen zu dürfen und zeigen zu können, dass Drag eben nicht immer nur bunt, schrill und laut sein muss, sondern auch sehr gesettet, sehr klassisch sein kann und das auch von okay ist und die Leute das trotzdem auch toll finden. Deswegen war das der stolzeste Moment seit, also in diesem Jahr für mich.
SPEAKER_1
00:40:13
Du warst großartig an dem Abend.
SPEAKER_2
00:40:15
Vielen Dank.
SPEAKER_1
00:40:17
Ein Lied, das du gerade gerne hörst.
SPEAKER_2
00:40:22
Da gibt's so viele.
SPEAKER_1
00:40:23
Du darfst so viele sagen.
SPEAKER_2
00:40:27
Sincere mich, mein Schatten und ich. Das sind Songs, die jetzt auch in den nächsten Shows vorkommen. Deswegen hör ich die gerade irgendwie alle rauf und runter. Okay. In case you don't live forever von Ben Platt. Das geht mir sehr ans Herz. Das ist so eine kleine Liebeserklärung an meine Eltern. Ich freu mich auch schon drauf, den zu performen. Hopelessly Devoted geht mir gerade die ganze Zeit im Kopf rum. Maybe this time. Das sind so die Songs, die zurzeit viel laufen bei mir, die ich auch sehr gerne höre, immer wieder und auch gerne performe.
SPEAKER_1
00:41:07
Eine Person, die du attraktiv findest.
SPEAKER_2
00:41:10
Marc, mein Freund, definitiv.
SPEAKER_1
00:41:14
Einen Content, den du empfehlen würdest.
SPEAKER_2
00:41:18
Hört euch Cynthia Erivo an, wenn ihr sie noch nicht kennt. Unbedingt ihr Konzert in der Royal Albert Hall. Einfach nur geil.
SPEAKER_1
00:41:27
Dein Lieblingsgericht.
SPEAKER_2
00:41:30
Spaghetti Carbonara.
SPEAKER_1
00:41:32
Ein großer Wunsch von dir.
SPEAKER_2
00:41:35
Ich bin tatsächlich zurzeit so wunschlos glücklich. Sagen wir einfach den Erfolg mit der Kunst, den ich mir gerne erarbeiten würde, dass der auch eintritt.
SPEAKER_1
00:41:46
Das wünsche ich dir.
SPEAKER_2
00:41:47
Dankeschön.
SPEAKER_1
00:41:48
Deine Stimmung jetzt gerade?
SPEAKER_2
00:41:51
100 Prozent zufrieden und positiv gestimmt.
SPEAKER_1
00:41:56
Gia, vielen Dank, dass du dir heute Zeit genommen hast und dazu beiträgst, die Stimme queerer Menschen lauter zu machen.
SPEAKER_2
00:42:03
Sehr gerne. Es war mir eine Riesenfreude mit dir.
SPEAKER_1
00:42:06
Same here. Danke Gia.
SPEAKER_2
00:42:08
Danke Élie.

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